Bedeutung des Waldes

 

Die Bedeutung von Baum und Wald für den Menschen

Die Menschen waren immer schon eng mit Bäumen und dem Wald verbunden. Bäume hatten in früheren Zeiten eine besondere Bedeutung für sie: sowohl wirtschaftlich, als auch religiös. Ursprünglich war ganz Mitteleuropa vollständig mit Wald bedeckt (1). Alles, was der Mensch brauchte, fand er dort. Dennoch beschränkte sich sein Lebensraum anfangs auf die lichten Waldungen und die Nähe der Flüsse. Wald und Baum boten ihm Schutz, Ernährung, Bau- und Werkmaterial und ermöglichten die Unterhaltung von Feuer. Von Bäumen allein kann der Mensch durchaus leben. Außerdem besitzen Gestalten von alten Baumriesen eine ganz eigene Atmosphäre und Ausstrahlung. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sie als göttlich galten. Die Faszination des Menschen für Baum und Wälder finden wir in nahezu allen Kulturen. Bäume zählen zu den gemeinsamen Archetypen der gesamten Menschheit. Archetypen, das sind unbewusste Urbilder im Menschen, die jeder unabhängig von seinen eigenen Erfahrungen besitzt. Im Mittelpunkt der alten Religionen stehen fast ausnahmslos Bäume, die als heilig galten, wie zum Beispiel die Esche Yggdrasil bei den Germanen.

In vielen Mythologien erscheint der kosmische Baum als Spiegel des Universums und als Mittler zwischen den drei Welten: der Unterwelt, der Erde/Welt der Menschen und dem Himmel. Er ist der Weltenbaum, die Achse und Stütze der Welt, wie wir ihn zum Beispiel in der Edda, dem altisländischen Sagenwerk, mit der Esche Yggdrasil finden. Die religiöse Bedeutung von Bäumen und Wäldern war in den germanisch/keltischen Kulturen so groß, dass die christlichen Missionare es als ihre wichtigste Aufgabe ansahen, den Baumkult zu vernichten und die heiligen Wälder zu zerstören. Verständlicher Weise stieß das auf heftigen Widerstand. Hielten sich solche Kulte allzu hartnäckig, so halfen sich die damaligen Christen damit, dass sie der Verehrung eine christliche Bedeutung gaben. So wurden viele Orte und Bäume der Jungfrau Maria oder anderen Heiligen geweiht, ja sogar ganze Feste christianisiert, wie zum Beispiel das alte Julfest zu Weihnachten.

Als Metapher und Symbol ist die Bedeutung des Baumes vielfältig. Er steht für Entwicklung und Wachstum ebenso wie für Starrheit und Unbeweglichkeit; er kann phallische Bedeutung haben und symbolisiert die Verbindung zum so genannten kollektiven Unbewussten. Der Wald ist Symbol des Geheimnisvollen, Unbekannten, schwer zu Durchdringenden (ähnlich wie das Unbewusste des Menschen) und der ungezähmten wilden Natur. Häufig ist er mit der Vorstellung des Dunklen verbunden. Der Baum ist fest mit der Erde verwachsen. Seine Wurzeln dringen tief in sie ein und verankern ihn mit seiner Nahrungsquelle. Sie geben ihm Halt und Stabilität. Bäume werden im Verhältnis zu Menschen uralt – manche bis zu mehreren tausend Jahren. Was wäre nahe liegender, als sie mit dem ewigen Leben in Verbindung zu bringen?

Wie stark gerade auch die Deutschen noch heute mit dem Wald verbunden sind, lässt sich daran erkennen, dass es eine ganze Reihe von Geldstücken gibt, beziehungsweise gab, die mit Blättern oder Bäumen geziert sind, oder, wie das alte fünfzig Pfennig Stück, eine Kulturfrau zeigen, die ein Bäumchen pflanzt. Kulturfrauen, so nannte man früher die Waldarbeiterinnen. Eine ihrer Hauptaufgaben war die Anpflanzung junger Bäume und deren Pflege.

Wie viele Mythen und Märchen handeln von Bäumen und Wald!
„Hänsel und Gretel“, „Brüderchen und Schwesterchen“, „Die drei Männlein im Walde“, „Aschenputtel“ und viele mehr. Und in vielen Liedern werden Bäume und Wald besungen: „Kein schöner Land in dieser Zeit“, „Und wieder blühet die Linde“ und „Küssekraut“ von Herman Löns, um nur einige zu nennen. Der Baum ist ein Symbol der Stärke. Es gibt kaum einen anderen Archetypus, der auf diese besondere Weise Stärke verkörpert. Bäume strahlen Stärke aus, Widerstandskraft und Harmonie. Menschen betrachteten sich auf vielfältige Weise als Kinder der Bäume. Es gibt eine alte Legende über die Lärche von Naunders in Tirol, die ein schönes Beispiel für diese Vorstellung ist. Man glaubte nämlich, dass die neugeborenen Kinder aus diesem Baum kämen. Ohne die grünen Pflanzen gäbe es kein Leben für Menschen und die meisten Tiere auf unserer Erde! Bäume sind mit die wichtigsten dieser „Primärproduzenten“, wie die grünen Pflanzen von den Ökologen genannt werden. Sie produzieren mithilfe des Blattgrüns (Chlorophyll) und des Sonnenlichts aus Wasser und Kohlendioxid Kohlenhydrate und Sauerstoff, die Grundlagen für alles weitere Leben.

Viele der uralten Bäume werden heute mit erheblichem Aufwand gepflegt. Manch einer mag sich da wohl schon gefragt haben, ob dieser Aufwand nicht manchmal übertrieben ist, und ob es nicht besser sei, stattdessen einen neuen Baum zu pflanzen. Lange Zeit habe ich das auch so gesehen, schließlich bin ich es als Förster gewohnt, dass Bäume sterben und Bäume gefällt werden. Doch ich bin heute vorsichtiger und zurückhaltender geworden, und manche dieser „Pflegefälle“ sind mir ans Herz gewachsen. Wenn man bedenkt, was allein ein Baum von „nur“ dreihundert Jahren bereits gesehen und erlebt hat! Vor dreihundert Jahren – das war lange vor dem Beginn der Industrialisierung! Friedrich I., König von Preußen, Vater von Friedrich dem Großen, könnte diesen Baum gepflanzt haben. Wie viele geschichtliche Ereignisse sind an diesem Baum vorüber gegangen! Das Zarenreich Peter des Großen, der Sturm auf die Bastille und die Französische Revolution. Die Napoleonischen Kriege, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, Goethe, Lessing, Schiller, und später die Weimarer Republik und die beiden Weltkriege! Und wie viel mehr erst ein Exemplar von
fünfhundert oder noch mehr Jahren.

Ein junger Baum ist nicht das Gleiche wie ein alter, das kann jeder leicht erfahren. Doch die meisten Menschen haben den Respekt unserer Vorfahren längst verloren, denen Bäume heilig waren.

(1) Obwohl es inzwischen auch andere Ansichten dazu gibt. Selbstverständlich hat es im Laufe der Jahrtausende, gar nicht zu sprechen von Jahrmilliarden, auch ein waldfreies Mitteleuropa gegeben. Eine Diskussion würde hier zu weit führen (Einfluss der Großtiere wie Auerochse, Wildpferd, Wisent auf die Vegetation/Megaherbivoren-Theorie)

Mit freundlicher Genehmigung von Elmar Woelm, aus seinem Buch „Mythologie, Bedeutung und Wesen unserer Bäume“.

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Bild Buche: Daniel Stricker, pixelio.de
Bild Weltenbaum und Geldstück: Wikipedia